Donnerstag, 14. Juni 2007
Fehlproduktion
perspectives, 18:31h
„Das ist für die Türme. Das ist für die Zivilisation. Das ist für uns alle, du Schwein.“ Amy würde am liebsten diese Sätze schreien und dabei auf Mohammed einstechen, wenn er sich im Flugzeug zufällig neben sie setzt. Das Messer immer wieder in ihn reinrammen, bis das Blut aus der dunkelhäutigen Gestalt spritzt.
Doch das ist nicht die Geschichte, die in „Das Produkt“ von Mark Ravenhill erzählt wird und an der Schaubühne in Berlin ihre deutsche Erstaufführung hatte.
Amy trifft im Taxi wieder auf Mohammed. Auf einmal findet sie ihn dann aber doch eher exotisch-erotisch als arabisch-abstoßend, und sie hat Sex mit ihm in ihrem fantastischen Loft in einem umgebauten Schlachthaus. Und das, obwohl sie bereits richtig vermutet, dass Mohammed bei Al-Qaida ist. Amys Mann kam übrigens am elften September in einem der Türme des World Tade Centers ums Leben.
Doch auch das ist nicht die Geschichte, die der 41-jährige Brite Ravenhill, der mit „Shoppen und ficken“ bekannt wurde, erzählt. Weiterhin besteht das Stück, in der Inszenierung von Thomas Ostermeier in Saarbrücken zu sehen, nicht daraus, dass Amy sich aus Liebe zu Mohammed bei einem Besuch von keinem geringeren als Osama Bin Laden in ihrer Wohnung schließlich den Selbstmordattentätern anschließt, um Disney-Land Paris zu vernichten. Dass sie in der Nacht zuvor Mohammed doch verrät, ohne ihn aber dann wieder unglücklich wird. Dass sie ihren geliebten Fast-Attentäter nach monatelangen Trainingseinheiten bei Kung-Fu-Meistern und Kalaschnikow-Camps von seiner Hoden-Folter in Guantanamo befreit, alle Wachen – und aus Versehen Mohammed gleich mit – abknallt, um letztendlich selbst auf seinem Gebetsteppich Richtung Osten niederzusinken.
Das ist das Problem bei Ravenhill. Er erzählt nicht schonungslos diese bis zum Brechreiz übertriebene Hollywood-Geschichte, sondern er bettet sie in einen verharmlosenden Rahmen ein: Ein Filmproduzent versucht seine Top-Schauspielerin, die er eigentlich am liebsten flachlegen würde, von seinem Drehbuch zu überzeugen. Und nur in seinem Drehbuch kommen Amy, Mohammed, Osama und all die anderen vor. Jörg Hartmann gibt den ambitionierten Produzenten, der in einer grandiosen einstündigen One-Man-Show seine schweigende Hauptdarstellerin (Simone Kabst) anfleht, anfällt, anbettelt, anmacht, anspielt, anhimmelt. Nur um dieses Buch, dass ihn dazu gebracht habe, zu weinen „wie eine Frau“, mit seinem Superstar in der Hauptrolle zu verfilmen.
Das berührt aber nicht. Wenn eine abgedrehte, gescheiterte Existenz so einen Film machen will, kümmert das einen (mangels Identifikationsmöglichkeiten?) nicht. Genauso wie man die Taten fanatischer Terroristen oder geisteskranker Nazis leicht verurteilen kann, so leicht kann man auch über dieses Szenario lachen. Mark Ravenhill verharmlost, indem er die Thematik der Lächerlichkeit preisgibt. Eingehende Beschäftigung, tieferes Nachdenken über das Phänomen der Verarbeitung der Anschläge vom elften September? Dieses Stück verleitet sicher nicht dazu.
Eher wird man sich an den schillernden Auftritt Jörg Hartmanns erinnern, der sich in schwitzende Ekstase redet, in Amy und Mohammed schlüpft, sich selbst mit Filmmusik begleitet: Summende, klacksende und schnalzende Laute entweichen seiner Kehle während der „ganz großen Momente“. Dann ist seine wild gestikulierende Silhouette vor der Leuchtröhrenwand von Bühnenbildner Jan Pappelbaum zu sehen, die immer wieder auf den Latte-Macchiato-schlürfenden Star einredet: Sie könne das spielen, nur mit ihren Augen, er wisse das, mein Gott, überhaupt liebe er ihre Arbeit. Der keck zurückgelehnten Simone Kabst in hochhackigen Goldsandalen und mit blonder, nach hinten geföhnter Dauerwellenmähne bleibt da nur ein ungläubiges Dauergrinsen. Wenn sie endlich genervt abhaut, flötet der Produzent heuchlerisch in sein Handy: „Hi! Super. Sie fand’s total super“. Klar. Wir auch. Total.
Text: Matthias Weigel
Doch das ist nicht die Geschichte, die in „Das Produkt“ von Mark Ravenhill erzählt wird und an der Schaubühne in Berlin ihre deutsche Erstaufführung hatte.
Amy trifft im Taxi wieder auf Mohammed. Auf einmal findet sie ihn dann aber doch eher exotisch-erotisch als arabisch-abstoßend, und sie hat Sex mit ihm in ihrem fantastischen Loft in einem umgebauten Schlachthaus. Und das, obwohl sie bereits richtig vermutet, dass Mohammed bei Al-Qaida ist. Amys Mann kam übrigens am elften September in einem der Türme des World Tade Centers ums Leben.
Doch auch das ist nicht die Geschichte, die der 41-jährige Brite Ravenhill, der mit „Shoppen und ficken“ bekannt wurde, erzählt. Weiterhin besteht das Stück, in der Inszenierung von Thomas Ostermeier in Saarbrücken zu sehen, nicht daraus, dass Amy sich aus Liebe zu Mohammed bei einem Besuch von keinem geringeren als Osama Bin Laden in ihrer Wohnung schließlich den Selbstmordattentätern anschließt, um Disney-Land Paris zu vernichten. Dass sie in der Nacht zuvor Mohammed doch verrät, ohne ihn aber dann wieder unglücklich wird. Dass sie ihren geliebten Fast-Attentäter nach monatelangen Trainingseinheiten bei Kung-Fu-Meistern und Kalaschnikow-Camps von seiner Hoden-Folter in Guantanamo befreit, alle Wachen – und aus Versehen Mohammed gleich mit – abknallt, um letztendlich selbst auf seinem Gebetsteppich Richtung Osten niederzusinken.
Das ist das Problem bei Ravenhill. Er erzählt nicht schonungslos diese bis zum Brechreiz übertriebene Hollywood-Geschichte, sondern er bettet sie in einen verharmlosenden Rahmen ein: Ein Filmproduzent versucht seine Top-Schauspielerin, die er eigentlich am liebsten flachlegen würde, von seinem Drehbuch zu überzeugen. Und nur in seinem Drehbuch kommen Amy, Mohammed, Osama und all die anderen vor. Jörg Hartmann gibt den ambitionierten Produzenten, der in einer grandiosen einstündigen One-Man-Show seine schweigende Hauptdarstellerin (Simone Kabst) anfleht, anfällt, anbettelt, anmacht, anspielt, anhimmelt. Nur um dieses Buch, dass ihn dazu gebracht habe, zu weinen „wie eine Frau“, mit seinem Superstar in der Hauptrolle zu verfilmen.
Das berührt aber nicht. Wenn eine abgedrehte, gescheiterte Existenz so einen Film machen will, kümmert das einen (mangels Identifikationsmöglichkeiten?) nicht. Genauso wie man die Taten fanatischer Terroristen oder geisteskranker Nazis leicht verurteilen kann, so leicht kann man auch über dieses Szenario lachen. Mark Ravenhill verharmlost, indem er die Thematik der Lächerlichkeit preisgibt. Eingehende Beschäftigung, tieferes Nachdenken über das Phänomen der Verarbeitung der Anschläge vom elften September? Dieses Stück verleitet sicher nicht dazu.
Eher wird man sich an den schillernden Auftritt Jörg Hartmanns erinnern, der sich in schwitzende Ekstase redet, in Amy und Mohammed schlüpft, sich selbst mit Filmmusik begleitet: Summende, klacksende und schnalzende Laute entweichen seiner Kehle während der „ganz großen Momente“. Dann ist seine wild gestikulierende Silhouette vor der Leuchtröhrenwand von Bühnenbildner Jan Pappelbaum zu sehen, die immer wieder auf den Latte-Macchiato-schlürfenden Star einredet: Sie könne das spielen, nur mit ihren Augen, er wisse das, mein Gott, überhaupt liebe er ihre Arbeit. Der keck zurückgelehnten Simone Kabst in hochhackigen Goldsandalen und mit blonder, nach hinten geföhnter Dauerwellenmähne bleibt da nur ein ungläubiges Dauergrinsen. Wenn sie endlich genervt abhaut, flötet der Produzent heuchlerisch in sein Handy: „Hi! Super. Sie fand’s total super“. Klar. Wir auch. Total.
Text: Matthias Weigel
... link (0 Kommentare) ... comment
« Das Produkt » ou l’impossible réel
perspectives, 18:29h
Mark Ravenhill, dramaturge et auteur londonien de 41 ans est l’enfant terrible du théâtre anglais («Shopping and Fucking », 1996, « Mother Clap’s Molly House », 2000). Il interroge la société britannique et ses oeuvres relatent de réalités peu reluisantes.
Thomas Ostermeier met en scène, ici au festival, sa pièce « Das Produkt ». C’est un récit ou le personnage principal est un producteur de cinéma obsédé par une éventuelle puissance érotique des images de l’attentat du 11 Septembre à New York, le « 11/9 », comme le dénomment les allemands.
Dans un décor qui évoque des lieux impersonnels : hauts tabourets et table de bar d’aéroport sont posés au centre de la scène qui compte deux personnages.
A côté du personnage principal interprété par Jörg Hartmann, Simone Kabst joue une femme, une actrice blonde et sexy, qui restera silencieuse mais attentive pendant toute la durée de la pièce.
Le producteur lui raconte le scénario de son prochain film. Une fiction rocambolesque, qui fait penser à un jeu vidéo. Son scénario réunit un terroriste d’Al Qaida et une femme amoureuse, Amy, en passant par un attentat à Eurodisney, des accouplements torrides, l’intervention des forces spéciales, et autres rebondissements.
Le producteur s’emballe, mime, chante la bande son, fait les mouvements de caméra, s’interroge, phantasme, se reprend, insulte, s’excite, pour convaincre l’actrice de participer à ce projet de film.
Armé d’un couteau imaginaire, il s’exalte dans son récit dans un mouvement de va-et-vient, phallus imaginaire, vers la comédienne. Tandis que, devant un panneau de néon qui forme un écran lumineux, il se met en scène tout en étant, grâce à ce procédé visuel, l’ombre de lui-même.
Les images transmises dans le monde entier de l’attentat du « 11/9 » ont fort à voir avec cette intrusion, « phallique », contre le pouvoir américain, qui lui, s’affichait comme inviolable et impénétrable.
« Das Produkt », par la métaphore du récit cinématographique, entend nous alerter sur la force et l’impact des images inventées de toutes pièces : Les boucles télévisuelles du 11. Septembre nous racontaient pas plus la réalité que le scénario virtuel.
texte: Aurélie Youlia
Thomas Ostermeier met en scène, ici au festival, sa pièce « Das Produkt ». C’est un récit ou le personnage principal est un producteur de cinéma obsédé par une éventuelle puissance érotique des images de l’attentat du 11 Septembre à New York, le « 11/9 », comme le dénomment les allemands.
Dans un décor qui évoque des lieux impersonnels : hauts tabourets et table de bar d’aéroport sont posés au centre de la scène qui compte deux personnages.
A côté du personnage principal interprété par Jörg Hartmann, Simone Kabst joue une femme, une actrice blonde et sexy, qui restera silencieuse mais attentive pendant toute la durée de la pièce.
Le producteur lui raconte le scénario de son prochain film. Une fiction rocambolesque, qui fait penser à un jeu vidéo. Son scénario réunit un terroriste d’Al Qaida et une femme amoureuse, Amy, en passant par un attentat à Eurodisney, des accouplements torrides, l’intervention des forces spéciales, et autres rebondissements.
Le producteur s’emballe, mime, chante la bande son, fait les mouvements de caméra, s’interroge, phantasme, se reprend, insulte, s’excite, pour convaincre l’actrice de participer à ce projet de film.
Armé d’un couteau imaginaire, il s’exalte dans son récit dans un mouvement de va-et-vient, phallus imaginaire, vers la comédienne. Tandis que, devant un panneau de néon qui forme un écran lumineux, il se met en scène tout en étant, grâce à ce procédé visuel, l’ombre de lui-même.
Les images transmises dans le monde entier de l’attentat du « 11/9 » ont fort à voir avec cette intrusion, « phallique », contre le pouvoir américain, qui lui, s’affichait comme inviolable et impénétrable.
« Das Produkt », par la métaphore du récit cinématographique, entend nous alerter sur la force et l’impact des images inventées de toutes pièces : Les boucles télévisuelles du 11. Septembre nous racontaient pas plus la réalité que le scénario virtuel.
texte: Aurélie Youlia
... link (0 Kommentare) ... comment
Debout Sur Le Zinc - Abwechslung steht auf der Theke
perspectives, 18:01h
„Alles geht demokratisch zu – aber ich bin der Bandleader.“ Fred Trisson grinst. Er selbst spielt „nur“ zwei Instrumente in seiner Band: Schlagzeug und Akkordeon. Aber in „Debout sur le Zinc“, Rockband der neuen französischen Szene, spielen einige der sieben Bandmitglieder mehr drei verschiedene Instrumente. Da muss erst einmal ausgemacht werden, wer bei welchem Lied was spielt.
Am Mittwochabend traten „Debout sur le Zinc“ – übersetzt etwa „Auf der Theke stehend“ – im Festivalclub am Europabahnhof auf. Die Band, die in Frankreich bereits landesweite Popularität besitzt, erobert nach und nach auch das europäische Publikum: Budapest, Berlin, Moskau sind nur einige ihrer Stationen.
Denn auch wer die lyrischen Texte, die oft von der Schönheit ganz alltäglicher Dinge handeln, nicht versteht, kann die effektvoll instrumentierten Chansons uneingeschränkt genießen. Banjo- und Mandolinenklänge sorgen für folklorische Elemente; die vorbeirauschenden Bläsereinwürfe des Trompeters Simon Mimoun und des Klarinettisten Christophe Bastien peitschen das Publikum Richtung Balkan. Schlagzeuger Cédric Ermolieff liefert als Zugabe eine Steppeinlage und den stets breit grinsenden, barfuss und mit verschwitzen Zottelhaaren im Hintergrund für sich mitsingenden Bassisten William Lovti muss man einfach lieben.
„Seit 14 Jahren machen wir zusammen Musik, seit 6 Jahren professionell“, bemerkt Olivier Sulpice stolz. Wenn „Debout sur le Zinc“ auf der Bühne stehen, stehen sie nicht still: Sie unterwerfen sich ihrem eigenen Rhythmus; wenn der Refrain auf einmal leise und dünn instrumentiert erklingt, fallen die Körper zusammen, um beim pulsierenden Höhepunkt springend in der Musik aufzugehen. Dabei wird aber auch das unauffälligste Banjo-Pattern zu jeder Zeit mit Liebe zum Detail verfolgt – keine Nachlässigkeit in den leisen Tönen.
Eine Besonderheit sicherlich, dass sich drei Sänger abwechseln: Jeder singt die Texte und Lieder, die er schreibt, auch selbst. Abwechslung – das scheint die oberste Maxime zu sein von „Debout sur le Zinc“.
Text: Matthias Weigel
Am Mittwochabend traten „Debout sur le Zinc“ – übersetzt etwa „Auf der Theke stehend“ – im Festivalclub am Europabahnhof auf. Die Band, die in Frankreich bereits landesweite Popularität besitzt, erobert nach und nach auch das europäische Publikum: Budapest, Berlin, Moskau sind nur einige ihrer Stationen.
Denn auch wer die lyrischen Texte, die oft von der Schönheit ganz alltäglicher Dinge handeln, nicht versteht, kann die effektvoll instrumentierten Chansons uneingeschränkt genießen. Banjo- und Mandolinenklänge sorgen für folklorische Elemente; die vorbeirauschenden Bläsereinwürfe des Trompeters Simon Mimoun und des Klarinettisten Christophe Bastien peitschen das Publikum Richtung Balkan. Schlagzeuger Cédric Ermolieff liefert als Zugabe eine Steppeinlage und den stets breit grinsenden, barfuss und mit verschwitzen Zottelhaaren im Hintergrund für sich mitsingenden Bassisten William Lovti muss man einfach lieben.
„Seit 14 Jahren machen wir zusammen Musik, seit 6 Jahren professionell“, bemerkt Olivier Sulpice stolz. Wenn „Debout sur le Zinc“ auf der Bühne stehen, stehen sie nicht still: Sie unterwerfen sich ihrem eigenen Rhythmus; wenn der Refrain auf einmal leise und dünn instrumentiert erklingt, fallen die Körper zusammen, um beim pulsierenden Höhepunkt springend in der Musik aufzugehen. Dabei wird aber auch das unauffälligste Banjo-Pattern zu jeder Zeit mit Liebe zum Detail verfolgt – keine Nachlässigkeit in den leisen Tönen.
Eine Besonderheit sicherlich, dass sich drei Sänger abwechseln: Jeder singt die Texte und Lieder, die er schreibt, auch selbst. Abwechslung – das scheint die oberste Maxime zu sein von „Debout sur le Zinc“.
Text: Matthias Weigel
... link (0 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 13. Juni 2007
Unter Eis - Erfroren im System
perspectives, 19:03h
Früher war Paul Niemand einmal jemand. Ein Mann, dessen Worte Gewicht hatten, dessen Taten einen Unterschied machten: ein gewiefter Unternehmensberater. Doch jetzt, Mitte 40, droht Niemand tatsächlich ein Niemand zu werden. Er hat den Biss verloren. Anstatt im Strom des Lebens oben auf zu schwimmen, wird er nur noch mitgerissen. Stillstand ist ein Rückschritt, das weiß er ganz genau. Und die jüngeren Kollegen sitzen ihm bereits im Nacken. Sie traktieren ihn mit den Beraterweisheiten, die Niemand Jahre lang selbst wie ein Lebenscredo auf den Lippen führte, denen er heute jedoch nicht mehr gerecht wird.
Das Bühnenbild im nüchternen Eurobahnhof passt zur Atmosphäre des Geschehens: kaltes blaues Licht, ein glatt polierter Konferenztisch, schwarze Lederstühle, sonst nichts. Falk Richters Stück "Unter Eis", das die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz bei Perpectives zeigt, erzählt die Geschichte eines Mannes, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird. In stakkatoartigen Monologen ohne Punkt und Komma – nur kein Wort zu viel, immer der effiziente Geschäftsmann – rekapituliert Niemand seine Kindheit als Außenseiter und sein bisheriges Leben. Es handelt sich mehr um wirre Impressionen als um zusammenhängende Erzählungen, in denen das Motiv des Erstarrens in Eis im Zentrum steht. Thomas Thieme verkörpert Paul Niemand mit effektvollem Minimalismus. Er sitzt fast das ganze Stück über auf seinem Stuhl, verzichtet überwiegend auf Gestik und Mimik. Allein durch die Modulation seiner Stimme, mal ruhig und monoton, mal laut und emotionsgeladen, verleiht er Niemand sein Profil.
"Kalt, kalt, kalt! Schnee, Schnee, Schnee! Eis, Eis, Eis!", rattert Niemand herunter. Das skurrile Bild einer erfrorenen Katze unter der Eisdecke eines Flusses wird zum immer wiederkehrenden Symbol für seine Gefühlswelt. Gegen die Kälte hat er sein Leben lang angekämpft – und zwar mit eigener Kälte. Ohne mit der Wimper zu zucken, empfahl er die Entlassung von Mitarbeitern. Er hat keine Frau, keine Kinder und auch keine Freunde. Doch jetzt fühlt Niemand, wie der Mantel der Kälte ihn allmählich lähmt. Die jungen Kollegen attestieren ihm nur noch eine Effizienz von 45 Prozent. Am Ende wird er Opfer eines Systems, das er selbst viele Jahre lang gelebt und geprägt hat. Die Ironie seines Schicksals bringt Niemand treffend auf den Punkt: „Ich habe den Plan entworfen, um mich zu entlassen.“
Doch "Unter Eis" ist keine Tragödie. Vielmehr ist es eine gnadenlose und äußerst unterhaltsame Persiflage der gefühlskalten Geschäftswelt mit ihren inhaltslosen Floskeln und Fremdwörtern. Mark Waschke und André Szymanski in den Rollen der aufstrebenden Karrieremänner treiben die Verwendung von Anglizismen ins Absurde und lassen den Geschäftsmann zum Komiker werden. Die Dreistigkeit der Überspitzung steigert sich jedoch ganz allmählich soweit, dass selbst politisch unkorrekte Äußerungen über Arbeitslose oder die Ausbootung unerwünschter Mitarbeiter keine Empörung mehr hervorrufen. Dadurch wird der gesellschaftskritische Ansatz relativiert. Schade auch, dass das Stück zum Ende hin in eine Parodie abdriftet: Waschke und Szymanski werfen ihre Kleider von sich, suhlen sich in auf dem Tisch verstreuten Eiswürfeln und zeigen Einlagen aus einer firmeninternen Tanzaufführung. "Unter Eis" hat dieses überspitzte Finale eigentlich nicht nötig, denn die "Message", wie man so schön neudeutsch sagt, ist dann längst angekommen.
Text: Stefanie Marsch
Das Bühnenbild im nüchternen Eurobahnhof passt zur Atmosphäre des Geschehens: kaltes blaues Licht, ein glatt polierter Konferenztisch, schwarze Lederstühle, sonst nichts. Falk Richters Stück "Unter Eis", das die Berliner Schaubühne am Lehniner Platz bei Perpectives zeigt, erzählt die Geschichte eines Mannes, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird. In stakkatoartigen Monologen ohne Punkt und Komma – nur kein Wort zu viel, immer der effiziente Geschäftsmann – rekapituliert Niemand seine Kindheit als Außenseiter und sein bisheriges Leben. Es handelt sich mehr um wirre Impressionen als um zusammenhängende Erzählungen, in denen das Motiv des Erstarrens in Eis im Zentrum steht. Thomas Thieme verkörpert Paul Niemand mit effektvollem Minimalismus. Er sitzt fast das ganze Stück über auf seinem Stuhl, verzichtet überwiegend auf Gestik und Mimik. Allein durch die Modulation seiner Stimme, mal ruhig und monoton, mal laut und emotionsgeladen, verleiht er Niemand sein Profil.
"Kalt, kalt, kalt! Schnee, Schnee, Schnee! Eis, Eis, Eis!", rattert Niemand herunter. Das skurrile Bild einer erfrorenen Katze unter der Eisdecke eines Flusses wird zum immer wiederkehrenden Symbol für seine Gefühlswelt. Gegen die Kälte hat er sein Leben lang angekämpft – und zwar mit eigener Kälte. Ohne mit der Wimper zu zucken, empfahl er die Entlassung von Mitarbeitern. Er hat keine Frau, keine Kinder und auch keine Freunde. Doch jetzt fühlt Niemand, wie der Mantel der Kälte ihn allmählich lähmt. Die jungen Kollegen attestieren ihm nur noch eine Effizienz von 45 Prozent. Am Ende wird er Opfer eines Systems, das er selbst viele Jahre lang gelebt und geprägt hat. Die Ironie seines Schicksals bringt Niemand treffend auf den Punkt: „Ich habe den Plan entworfen, um mich zu entlassen.“
Doch "Unter Eis" ist keine Tragödie. Vielmehr ist es eine gnadenlose und äußerst unterhaltsame Persiflage der gefühlskalten Geschäftswelt mit ihren inhaltslosen Floskeln und Fremdwörtern. Mark Waschke und André Szymanski in den Rollen der aufstrebenden Karrieremänner treiben die Verwendung von Anglizismen ins Absurde und lassen den Geschäftsmann zum Komiker werden. Die Dreistigkeit der Überspitzung steigert sich jedoch ganz allmählich soweit, dass selbst politisch unkorrekte Äußerungen über Arbeitslose oder die Ausbootung unerwünschter Mitarbeiter keine Empörung mehr hervorrufen. Dadurch wird der gesellschaftskritische Ansatz relativiert. Schade auch, dass das Stück zum Ende hin in eine Parodie abdriftet: Waschke und Szymanski werfen ihre Kleider von sich, suhlen sich in auf dem Tisch verstreuten Eiswürfeln und zeigen Einlagen aus einer firmeninternen Tanzaufführung. "Unter Eis" hat dieses überspitzte Finale eigentlich nicht nötig, denn die "Message", wie man so schön neudeutsch sagt, ist dann längst angekommen.
Text: Stefanie Marsch
... link (0 Kommentare) ... comment
Unter Eis - Sous la glace
perspectives, 19:01h
Une immense table laquée de noir occupe la scène dans toute sa longueur. Trois hommes en costume s’y installent à distance les uns des autres, face au public.
L’un d’entre eux, le plus âgé, est visiblement très anxieux. Ses jambes sont entremêlées sous la table et ses mains tremblent. Son nom est Personne. Paul Personne. Dans un travail de lecture monocorde et accéléré, le comédien raconte avec une certaine fébrilité les rêves et les angoisses du personnage. Dès l’enfance, il se sent à l’écart du monde, et seul le frigo dans lequel il se glisserait pourrait lui servir de refuge. Fils d’un piètre aiguilleur au sol, il raconte son manque de repères. Les métaphores filent, du ciel à la banquise, pour signifier son égarement. La pièce écrite et mise en scène par Falk Richter est un écho au mal-être des individus dans une société où les machines mais aussi les animaux finissent par confisquer la capacité de s’émouvoir. Ici se joue le drame de la perte du sens, en terme de signification et de direction.
À travers le récit des personnages, le spectacle expose les problématiques du monde de l’entreprise, de la norme imposée par le travail salarié et par la présence collatérale des collègues. « Il n’y pas de société. Il n’y a que des individus. », dit Paul Personne. Il aime se mettre en retard à l’embarquement pour entendre son nom dans les hauts parleurs de l’aéroport. « Monsieur Paul Personne est attendu porte 27. » Il dénonce une vie de « crétin en sachet » qui mange des « soupes en sachet ». Il aspire à la lumière du soleil mais reste bloqué sous la glace, « vol à -40°C ». Aurelius Glasenapp est l’un des deux autres personnages. Il est consultant en organisation du travail, chaleureux, calme et doté de psychologie. Son collègue
Karl Sonnenschein est un jeune loup agressif. Ensemble, ils assènent à Paul Personne et au public les grandes lois du management humain. Tout à tour podium de leurs discours et de leurs simagrées, la table noire est aussi un tombeau. Déjà trop vieux pour le travail à 40 ans, Paul voit apparaître son successeur sur scène, joué par un comédien de treize ans.
Falk Richter dresse un réquisitoire sans appel. « Sous la glace » est un spectacle traité à froid, qui renvoie à une situation individuelle sans issue, comme gelée !
texte: Marion Bohny-Brunel
L’un d’entre eux, le plus âgé, est visiblement très anxieux. Ses jambes sont entremêlées sous la table et ses mains tremblent. Son nom est Personne. Paul Personne. Dans un travail de lecture monocorde et accéléré, le comédien raconte avec une certaine fébrilité les rêves et les angoisses du personnage. Dès l’enfance, il se sent à l’écart du monde, et seul le frigo dans lequel il se glisserait pourrait lui servir de refuge. Fils d’un piètre aiguilleur au sol, il raconte son manque de repères. Les métaphores filent, du ciel à la banquise, pour signifier son égarement. La pièce écrite et mise en scène par Falk Richter est un écho au mal-être des individus dans une société où les machines mais aussi les animaux finissent par confisquer la capacité de s’émouvoir. Ici se joue le drame de la perte du sens, en terme de signification et de direction.
À travers le récit des personnages, le spectacle expose les problématiques du monde de l’entreprise, de la norme imposée par le travail salarié et par la présence collatérale des collègues. « Il n’y pas de société. Il n’y a que des individus. », dit Paul Personne. Il aime se mettre en retard à l’embarquement pour entendre son nom dans les hauts parleurs de l’aéroport. « Monsieur Paul Personne est attendu porte 27. » Il dénonce une vie de « crétin en sachet » qui mange des « soupes en sachet ». Il aspire à la lumière du soleil mais reste bloqué sous la glace, « vol à -40°C ». Aurelius Glasenapp est l’un des deux autres personnages. Il est consultant en organisation du travail, chaleureux, calme et doté de psychologie. Son collègue
Karl Sonnenschein est un jeune loup agressif. Ensemble, ils assènent à Paul Personne et au public les grandes lois du management humain. Tout à tour podium de leurs discours et de leurs simagrées, la table noire est aussi un tombeau. Déjà trop vieux pour le travail à 40 ans, Paul voit apparaître son successeur sur scène, joué par un comédien de treize ans.
Falk Richter dresse un réquisitoire sans appel. « Sous la glace » est un spectacle traité à froid, qui renvoie à une situation individuelle sans issue, comme gelée !
texte: Marion Bohny-Brunel
... link (0 Kommentare) ... comment
Le Feu: Barbusse s’en va en guerre… pour la paix
perspectives, 12:39h
Revenu du front en 1916, Henri Barbusse (1873-1935), jeune intellectuel parisien, relate la vie dans les tranchées, la peur des combattants et les massacres à mains nues. Sa vie, en somme, et celle de ses compagnons de la Grande Guerre. Prix Goncourt en 1916, “Le feu“ est son témoignage. Du même titre, le spectacle de Balazs Gera est l’adaptation de l’un des chapitres du livre.
Au fond d’une péniche, une estrade sur laquelle repose un cube de 2 m sur 3 est dressée. Guillaume Gilliet, vêtu du manteau bleu des poilus surplombe les spectateurs. Tandis qu’il décrit les bruits de la guerre, des assourdissantes cannonades, les images des visages ensanglantés défilent. Son regard est fixement porté vers le lointain.
D’abord immobile, l’unique comédien de cette adaptation reprend les mots de l’auteur pour dire le rôle du soldat : “se jeter dans cet espèce de rôle de fou imposé par la folie du genre humain”.
Guillaume Gilliet avance alors dans un lent mouvement de sur place vers le public.
Le tapis roulant incorporé dans le cube, et sur lequel le comédien ne va plus cesser de marcher puis de courir jusqu’à épuisement, représente l’avancée inexorable des soldats dans les tranchées.
Pas de répit pour celui qui combat, pas de fuite possible pour celui qui se retrouve coincé dans les collines de la mort. Dans sa course vers l’abîme, le soldat avance droit, de plus en plus vite. Le tapis sous ses pieds prend des vitesses qui figurent la topographie du sol périlleux.
La terre déchiquetée comme un boyau par les éclats d’obus prend corps dans la langue de Barbusse. Il évoque “le flanc de la tranchée crevée”, “le sol labouré de coups” dans “la terre ouverte”.
Charnelle, son écriture a pourtant du mal ici à trouver un juste echo. Malgré la pertinence du tapis roulant, qui prend des allures de rouleau compresseur, on regrette la dissolution du texte dans l’effort à produire par le comédien.
texte: Aurélie Youlia
Au fond d’une péniche, une estrade sur laquelle repose un cube de 2 m sur 3 est dressée. Guillaume Gilliet, vêtu du manteau bleu des poilus surplombe les spectateurs. Tandis qu’il décrit les bruits de la guerre, des assourdissantes cannonades, les images des visages ensanglantés défilent. Son regard est fixement porté vers le lointain.
D’abord immobile, l’unique comédien de cette adaptation reprend les mots de l’auteur pour dire le rôle du soldat : “se jeter dans cet espèce de rôle de fou imposé par la folie du genre humain”.
Guillaume Gilliet avance alors dans un lent mouvement de sur place vers le public.
Le tapis roulant incorporé dans le cube, et sur lequel le comédien ne va plus cesser de marcher puis de courir jusqu’à épuisement, représente l’avancée inexorable des soldats dans les tranchées.
Pas de répit pour celui qui combat, pas de fuite possible pour celui qui se retrouve coincé dans les collines de la mort. Dans sa course vers l’abîme, le soldat avance droit, de plus en plus vite. Le tapis sous ses pieds prend des vitesses qui figurent la topographie du sol périlleux.
La terre déchiquetée comme un boyau par les éclats d’obus prend corps dans la langue de Barbusse. Il évoque “le flanc de la tranchée crevée”, “le sol labouré de coups” dans “la terre ouverte”.
Charnelle, son écriture a pourtant du mal ici à trouver un juste echo. Malgré la pertinence du tapis roulant, qui prend des allures de rouleau compresseur, on regrette la dissolution du texte dans l’effort à produire par le comédien.
texte: Aurélie Youlia
... link (0 Kommentare) ... comment
Le Feu: Rennen ums Leben
perspectives, 12:38h
Das Publikum findet sich im engen, diffus beleuchteten Laderaum des Theaterschiffs „Maria-Helena“ wieder. Der Ort passt gut zur beklemmenden Atmosphäre des Schlachtfeldes, in die einen „Le Feu“ vom ersten Moment an versetzt.
Guillaume Gillet ist Henri Barbusse, ein französischer Intellektueller, der Zeugnis ablegt über seine Erlebnisse in den wahnsinnigen Sturmangriffen des Ersten Weltkriegs. Auf seinem Kriegstagebuch „Le Feu“ basiert diese Adaptation von Delphine Jayot. Es ist der Monolog eines Soldaten, der zwischen französischem und deutschem Schützengraben um sein Leben rennt: „Allons, en avant!“
Und so wird die Bewegung zum zentralen Motiv der Inszenierung. Gillet steht auf einem hölzernen Podest, ein für den Zuschauer unsichtbares Laufband treibt ihn auf den feindlichen Graben irgendwo hinter dem Zuschauerraum zu und lässt ihn doch nicht von der Stelle kommen.
60 Minuten lang lässt Regisseur Balazs Gera seinen Protagonisten ängstlich, wie in Zeitlupe sich vorantasten in der Totenstille vor dem Sturm, er lässt ihn schneller laufen angesichts der Granateneinschläge des Feindes, atemlos und keuchend vorwärts jagen in der Todesangst unter dem Kugelhagel der Deutschen.
Barbusse beschreibt diesen fürchterlichen Angriff, der zum Lauf um das eigene Leben wird, mit einer ebenso vorantreibenden Sprache: „En avant“ – vorwärts. Und auch die physische Erschöpfung des Schauspielers, seine Atemlosigkeit schlägt sich in der Stimme nieder in diesem Angriff auf die „Sales Boches“, die Dreckigen Deutschen.
Und doch ist das Thema nicht der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland. Das wird spätestens dann klar, als Gillet seinen blauen Uniformmantel vor sich wirft und in verschwitztem Hemd und grauer Flanellhose weiter rennt – irgendein Soldat an irgendeinem Ort zu irgendeiner Zeit.
Barbusse taumelt schließlich in totaler Erschöpfung weiter: Der starr in die Ferne gerichtete Blick schweift ab, der Soldat schließt die Augen und läuft und läuft und läuft und läuft.
Und auch der Zuschauer schweift ab, denn die Inszenierung bietet in ihrem Fokus auf die Bewegung kaum Variationen. So kommt es trotz der – auch sportlich – beeindruckenden Leistung Guillaume Gillets zu einigen Längen. Die komplexe lyrische Sprache Barbusses, atemlos und gehetzt vorgetragen, erschwert außerdem das Textverständnis.
Nach einer Ewigkeit erreicht Barbusse den rettenden Schützengraben. Doch es ist klar: Der nächste Angriff steht bevor, und das Rennen um das Leben scheint niemals enden zu wollen.
Text: Hannah Kabel
Guillaume Gillet ist Henri Barbusse, ein französischer Intellektueller, der Zeugnis ablegt über seine Erlebnisse in den wahnsinnigen Sturmangriffen des Ersten Weltkriegs. Auf seinem Kriegstagebuch „Le Feu“ basiert diese Adaptation von Delphine Jayot. Es ist der Monolog eines Soldaten, der zwischen französischem und deutschem Schützengraben um sein Leben rennt: „Allons, en avant!“
Und so wird die Bewegung zum zentralen Motiv der Inszenierung. Gillet steht auf einem hölzernen Podest, ein für den Zuschauer unsichtbares Laufband treibt ihn auf den feindlichen Graben irgendwo hinter dem Zuschauerraum zu und lässt ihn doch nicht von der Stelle kommen.
60 Minuten lang lässt Regisseur Balazs Gera seinen Protagonisten ängstlich, wie in Zeitlupe sich vorantasten in der Totenstille vor dem Sturm, er lässt ihn schneller laufen angesichts der Granateneinschläge des Feindes, atemlos und keuchend vorwärts jagen in der Todesangst unter dem Kugelhagel der Deutschen.
Barbusse beschreibt diesen fürchterlichen Angriff, der zum Lauf um das eigene Leben wird, mit einer ebenso vorantreibenden Sprache: „En avant“ – vorwärts. Und auch die physische Erschöpfung des Schauspielers, seine Atemlosigkeit schlägt sich in der Stimme nieder in diesem Angriff auf die „Sales Boches“, die Dreckigen Deutschen.
Und doch ist das Thema nicht der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland. Das wird spätestens dann klar, als Gillet seinen blauen Uniformmantel vor sich wirft und in verschwitztem Hemd und grauer Flanellhose weiter rennt – irgendein Soldat an irgendeinem Ort zu irgendeiner Zeit.
Barbusse taumelt schließlich in totaler Erschöpfung weiter: Der starr in die Ferne gerichtete Blick schweift ab, der Soldat schließt die Augen und läuft und läuft und läuft und läuft.
Und auch der Zuschauer schweift ab, denn die Inszenierung bietet in ihrem Fokus auf die Bewegung kaum Variationen. So kommt es trotz der – auch sportlich – beeindruckenden Leistung Guillaume Gillets zu einigen Längen. Die komplexe lyrische Sprache Barbusses, atemlos und gehetzt vorgetragen, erschwert außerdem das Textverständnis.
Nach einer Ewigkeit erreicht Barbusse den rettenden Schützengraben. Doch es ist klar: Der nächste Angriff steht bevor, und das Rennen um das Leben scheint niemals enden zu wollen.
Text: Hannah Kabel
... link (0 Kommentare) ... comment
Lubie or not Lubie
perspectives, 12:30h
Une boite attend comme un petit cercueil dans le choeur de la Johanniskirche, temple protestant situé au centre de Sarrebruck. Derrière cette boite noire, une toile de tissu blanc tendu sert d´écran.Un aquarium coiffe une colonnette sur la gauche de la scène. L´ambiance est à la fois religieuse, intime et légèrement saugrenue.
Dans le noir complet, une silhouette se glisse sur scène pour s´accroupir devant la boite funèbre. Sur l´écran, une forme blanche et floue, comme une ombre lumineuse. Le focus précise les contours d´une main, paume ouverte face au public. Celle-ci s´anime, à la découverte d´elle-même et de son univers, sur la corde romantique de violons, qui dialogue avec elle.
Depuis l´intérieur de la boite, la marionnettiste projette l´image de ses doigts pensifs et avides. Prélude : un rouge à lèvres peint le titre du spectacle sur un miroir à la manière des films muets. Comme dans un film de Buster Keaton, des scènes-types se succèdent : exploit amoureux, festin, illusion d´optique, épopée monstrueuse. De petites mains pour de grandes images. Une belle promesse qui pourtant s´éteint lentement au fil du spectacle, pour laisser place à une succession de saynètes dont l´accumulation atténue la portée poétique.
texte: Clotilde de Gastines
Dans le noir complet, une silhouette se glisse sur scène pour s´accroupir devant la boite funèbre. Sur l´écran, une forme blanche et floue, comme une ombre lumineuse. Le focus précise les contours d´une main, paume ouverte face au public. Celle-ci s´anime, à la découverte d´elle-même et de son univers, sur la corde romantique de violons, qui dialogue avec elle.
Depuis l´intérieur de la boite, la marionnettiste projette l´image de ses doigts pensifs et avides. Prélude : un rouge à lèvres peint le titre du spectacle sur un miroir à la manière des films muets. Comme dans un film de Buster Keaton, des scènes-types se succèdent : exploit amoureux, festin, illusion d´optique, épopée monstrueuse. De petites mains pour de grandes images. Une belle promesse qui pourtant s´éteint lentement au fil du spectacle, pour laisser place à une succession de saynètes dont l´accumulation atténue la portée poétique.
texte: Clotilde de Gastines
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 12. Juni 2007
Lubie - Sinnliches Figurentheater in der Kirche
perspectives, 19:12h
„Lubie“, das ist Leidenschaft, Emotion, Obsession. „Lubie“, das sind die Hände der Puppenspielerin Anne Bitran, die sich einander annähern, miteinander spielen. Zwei Violinen begleiten die nächtliche Aufführung in der Johanniskirche mit Duos von Bela Bartok und Luciano Berio. Von der Künstlerin sieht das Publikum nur den Rücken, das Spiel ihrer Hände wird durch einen kristallförmigen Projektor, einen so genannten Zyklopen, auf die Leinwand übertragen. Bitran ist in enges Schwarz gekleidet, ein Turban gibt ihr eine geradezu mystische Erscheinung. Anfangs ist nur schemenhaft eine Hand auf der Leinwand zu erkennen, die langsam klare Konturen annimmt. Die Hand schreibt mit Lippenstift auf einen Spiegel. Schließlich erscheint die zweite Hand auf der Leinwand und in der folgenden Stunde umgarnen und verwandeln sich diese Hände. Aus einem sich umwerbenden Paar wird eine Vereinigung und wiederum ein neues Leben, ein Raubtier stürzt sich auf seine Beute. Mit wenigen Accessoires, einer Orange, zwei Handschuhen, einem Klumpen Teig schafft Bitran unter der Regie von Bénédicte Ober eine Welt des Begehrens und der Vereinigung. Neben diesem Wechselspiel von Licht und Schatten, leichtem Umwerben und tiefer Leidenschaft treten die Violinisten Julian Boutin und Frédéric Aurier als Antagonisten auf. Mal umrahmen sie die Handlung als Scherenschnitt hinter einem angestrahlten Tuch, mal kommunizieren sie direkt vor der Leinwand mimisch mit den Projektionen. Zeitweilig ragen ihre Umrisse bis ins Gewölbe hinauf und dehnen so den Schauplatz auf die gesamte Kirche aus. Fragwürdig jedoch wird die Kombination aus sinnlichem Fingertheater und dunklem Kirchenraum durch comicartige Knetfiguren, mit denen Britan plötzlich die Leinwand bevölkert. Diese scheinen einer anderen Welt anzugehören als die Finger, die langsam eine Orange entkleiden und Bitran selbst, die sich die Hände anschließend genüsslich-lasziv in einem kristallenen Gefäß wäscht. Während die Projektionen anfangs noch faszinieren und das Spiel um Werben und Unterwerfen ein klares Motiv bildet, verlieren sich die Szenen zwischenzeitlich in wenig zusammenhängendem Knetspiel, begleitet von leidenschaftlichen Violinklängen, die in ihrer Dramatik nicht immer zum Leinwandgeschehen passen. Im Gedächtnis bleiben jedoch schöne Bilder und originelle Einfälle, die, sensibler aufeinander abgestimmt, durchgängig eine Atmosphäre von Verlangen schaffen könnten.
Text: Tabea Mager
Text: Tabea Mager
... link (0 Kommentare) ... comment
Le 20 Novembre: Destruction
perspectives, 18:36h
Au bout d’un tunnel, dans un ancien dépôt de bus derrière la gare. À l’entrée du bâtiment, accroupi, quelqu’un trace à la craie un chemin sur le sol de béton brut. Il faut l’enjamber pour entrer dans la salle et soutenir un regard dur et rempli d’angoisse qui vous est jeté d’en bas. Le ton est donné. Le spectateur est invité dans un monde de rats, pour une expérience inconfortable et violente.
L’unique personnage de la pièce, Sebastian, est interprété par Anne Tismer dans ce monologue d’une heure. Sebastian Bosse est un jeune allemand qui a défrayé la chronique en 2006 pour avoir ouvert le feu dans son collège avant de se suicider. Être regardé d’en haut par l’étroite porte d’entrée du jugement d’autrui, c’est un peu ce que ressent Sebastian selon Lars Noren.
Le spectacle se déroulera sans musique, ou presque. La voix et le souffle de la comédienne empliront la pièce, ou presque. Sebastian ressemble à un héros de tragédie, ou presque. Sebastian interpelle le public. Il veut que tout le monde le regarde, que tout le monde l’entende. Il a l’air fort mais il est déjà parti depuis longtemps. Mort depuis plus longtemps encore. Dans cette boîte grise de béton, Sebastian nous crie sa colère, littéralement au pied du mur de la société. Lars Noren, activement aidé par la présence dramatique de la comédienne, réussit à nous plonger dans les ténèbres.
texte: Marion Bohy-Bunel
L’unique personnage de la pièce, Sebastian, est interprété par Anne Tismer dans ce monologue d’une heure. Sebastian Bosse est un jeune allemand qui a défrayé la chronique en 2006 pour avoir ouvert le feu dans son collège avant de se suicider. Être regardé d’en haut par l’étroite porte d’entrée du jugement d’autrui, c’est un peu ce que ressent Sebastian selon Lars Noren.
Le spectacle se déroulera sans musique, ou presque. La voix et le souffle de la comédienne empliront la pièce, ou presque. Sebastian ressemble à un héros de tragédie, ou presque. Sebastian interpelle le public. Il veut que tout le monde le regarde, que tout le monde l’entende. Il a l’air fort mais il est déjà parti depuis longtemps. Mort depuis plus longtemps encore. Dans cette boîte grise de béton, Sebastian nous crie sa colère, littéralement au pied du mur de la société. Lars Noren, activement aidé par la présence dramatique de la comédienne, réussit à nous plonger dans les ténèbres.
texte: Marion Bohy-Bunel
... link (0 Kommentare) ... comment
... nächste Seite