Donnerstag, 14. Juni 2007
Alpinarium_3 - „Es gibt fast nichts zu sehen“
perspectives, 18:41h
28 Betten stehen in den kommenden Tagen in der Johanniskirche – ein Bett für jeden Teilnehmer von Alpinarium_3. Eine Nacht dauert die Vorführung, die mit Lautsprechern in den Kopfkissen, unter den Betten und im Raum die Teilnehmer in eine Alpengeräuschkulisse versetzt und sie gleichzeitig Alpenbiographien lauschen lässt. Hierzu haben die Künstler ältere Frauen über ihr Schicksal, die Brüche und Entbehrungen in ihrem Leben befragt. „Es war eine wirkliche Kollektivarbeit“, betont Leyla Rabih, eine der Initiatorinnen des Projekts. Französische, deutsche und schweizerische Künstler arbeiten an dem Projekt zusammen; begonnen hatte alles 2003 mit ersten Versuchen, das Publikum in Betten liegend in Klangwelten zu versetzen, unterstützt durch eine Stunde Theaterprogramm. Seit 2004 wurde Alpinarium_3 in Fribourg, Dijon, Metz, Berlin und Magdeburg aufgeführt.
Ursprünglich sollte auch Alpinarium_3 ein Theaterstück werden. Motiviert durch die gute Zusammenarbeit in den ersten Projektreihen setzten sich die compagnie 29/09, gegründet durch Rabih und Markus Joss mit der von Peter Nussbaumer und Jonas Knecht ins Leben gerufenen Künstler-Plattform theater installationen zusammen. Die gemeinsame Thematik war schnell gefunden: „Der Alpenraum war für uns wichtig, weil er verschiedene Nationen, Kulturen und Sprachen vereint, aber auch die gemeinsamen Schwierigkeiten.“ Im Kollektiv wurde Recherche betrieben, Tonmaterial in der Natur und durch die Interviews gesammelt. „Nachdem wir die Stimmen der alten Frauen hatten, war uns klar: damit kann man kein Theaterstück machen. Man kann einer jungen Frau aus der Stadt nicht diese Texte geben und sie sagt: ’Hallo, ich bin 93.’ Die Stimmen waren viel stärker als das.“
Aus dem Theaterstück wurde 2004 eine Hörinstallation, aus einer Stunde eine Nacht. Genau darin besteht schließlich auch der besondere Reiz. „Wir kommen ja alle vom Theater und wir machen letztlich etwas, was alle Codes von Theater sprengt. Es gibt keine kollektive Wahrnehmung. Jeder liegt im Bett und hört die Sachen für sich. Wir wissen nie: schläft der auf dem Bett da hinten? Langweilt er sich? Ist er fasziniert? Berührt?“ Durch die konsequente Ich-Form der Erzählung, der man im Bett nicht entfliehen kann, entsteht bei den Teilnehmern die Verbindung zu ihrer eigenen Biographie.
„Letztlich ist es so: Jeder kann etwas damit anfangen. Nicht nur mit dem Heimat- oder Fremdbild der Alpen, vor allem auch mit der Erinnerung. Und das empfinden wir als sehr kostbar.“ Die sechs Künstler sehen ihre Rolle in der Nacht als Gärtner, die den Gästen das Wachsen der eigenen Traumbilder ermöglichen. Dabei kommt es laut Rabih mitunter vor, dass die Teilnehmer sich dieser Dichte entziehen wollen, sich in die vorbereitete Bibliotheksecke zurückziehen oder gar nach Hause gehen. Überhaupt sei die Aufnahme des Gehörten sehr unterschiedlich: „Manche hören alles, andere fast nichts, einige träumen mit den Geschichten mit.“ Beim gemeinsamen Frühstück können Erfahrungen ausgetauscht werden. „Das ist das, was wir sehr wertvoll finden: man kommt in Kontakt. Im Theater klatscht man und geht nach Hause. Sobald man sagt: das dauert jetzt eine Nacht und wenn ihr mögt, könnt ihr Eure Zahnbürste mitbringen, schaffen wir eine Vertrauenssituation, was ganz andere Reaktionen ermöglicht.“
Text: Tabea Mager
Ursprünglich sollte auch Alpinarium_3 ein Theaterstück werden. Motiviert durch die gute Zusammenarbeit in den ersten Projektreihen setzten sich die compagnie 29/09, gegründet durch Rabih und Markus Joss mit der von Peter Nussbaumer und Jonas Knecht ins Leben gerufenen Künstler-Plattform theater installationen zusammen. Die gemeinsame Thematik war schnell gefunden: „Der Alpenraum war für uns wichtig, weil er verschiedene Nationen, Kulturen und Sprachen vereint, aber auch die gemeinsamen Schwierigkeiten.“ Im Kollektiv wurde Recherche betrieben, Tonmaterial in der Natur und durch die Interviews gesammelt. „Nachdem wir die Stimmen der alten Frauen hatten, war uns klar: damit kann man kein Theaterstück machen. Man kann einer jungen Frau aus der Stadt nicht diese Texte geben und sie sagt: ’Hallo, ich bin 93.’ Die Stimmen waren viel stärker als das.“
Aus dem Theaterstück wurde 2004 eine Hörinstallation, aus einer Stunde eine Nacht. Genau darin besteht schließlich auch der besondere Reiz. „Wir kommen ja alle vom Theater und wir machen letztlich etwas, was alle Codes von Theater sprengt. Es gibt keine kollektive Wahrnehmung. Jeder liegt im Bett und hört die Sachen für sich. Wir wissen nie: schläft der auf dem Bett da hinten? Langweilt er sich? Ist er fasziniert? Berührt?“ Durch die konsequente Ich-Form der Erzählung, der man im Bett nicht entfliehen kann, entsteht bei den Teilnehmern die Verbindung zu ihrer eigenen Biographie.
„Letztlich ist es so: Jeder kann etwas damit anfangen. Nicht nur mit dem Heimat- oder Fremdbild der Alpen, vor allem auch mit der Erinnerung. Und das empfinden wir als sehr kostbar.“ Die sechs Künstler sehen ihre Rolle in der Nacht als Gärtner, die den Gästen das Wachsen der eigenen Traumbilder ermöglichen. Dabei kommt es laut Rabih mitunter vor, dass die Teilnehmer sich dieser Dichte entziehen wollen, sich in die vorbereitete Bibliotheksecke zurückziehen oder gar nach Hause gehen. Überhaupt sei die Aufnahme des Gehörten sehr unterschiedlich: „Manche hören alles, andere fast nichts, einige träumen mit den Geschichten mit.“ Beim gemeinsamen Frühstück können Erfahrungen ausgetauscht werden. „Das ist das, was wir sehr wertvoll finden: man kommt in Kontakt. Im Theater klatscht man und geht nach Hause. Sobald man sagt: das dauert jetzt eine Nacht und wenn ihr mögt, könnt ihr Eure Zahnbürste mitbringen, schaffen wir eine Vertrauenssituation, was ganz andere Reaktionen ermöglicht.“
Text: Tabea Mager
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