Donnerstag, 14. Juni 2007
Daumenkino - Lebenswelten im Kleinformat
perspectives, 18:36h
Eine etwas ungewöhnliche Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist es schon. Seit fünf Jahren zieht Volker Gerling mit einem Bauchladen voller Daumenkinos, seiner Spiegelreflexkamera und einem voll gepackten Rucksack durch Deutschland – zu Fuß. Keinen Cent hat er dabei in der Tasche. Er lebt von den Spenden der Menschen, die unterwegs seine Daumenkinos betrachten und der Gastfreundschaft seiner zufälligen Bekanntschaften. Ob er studiert habe, fragte ihn einmal jemand, denn so etwas Beklopptes könne doch nur ein Studierter machen.
Doch bekloppt ist Gerlings Wanderausstellung, wie er selbst seine Reise nennt, eigentlich nicht, höchstens unkonventionell und vielleicht ein bisschen exzentrisch. Bei Perspectives führt der Fotograf seine Werke im Saarlandmuseum mit Hilfe einer Kamera vor, die mit einem Beamer verbunden ist. Durch die Projektion auf eine Leinwand entsteht mit jeder Bilderfolge für wenige Sekunden Kinoatmosphäre.
Gerlings Miniatur-Filme zeigen nicht nur Menschen, sondern Persönlichkeiten, unverfälscht und ungekünstelt. Das liegt daran, dass die Fotografierten nicht wissen, dass sie mehrmals hintereinander abgelichtet werden, drei Mal in der Sekunde. Sie haben keine Möglichkeit, sich in Szene zu setzen. "Im Moment der Überraschung geben die Menschen etwas von sich preis. Das ist es, was ich einfangen möchte", sagt Gerling.
Dieser spezielle Augenblick ist auch in Gerlings erstem Daumenkino, dem Prototyp sozusagen, deutlich erkennbar. Es entstand 1998, als er mit einer Freundin "einen Ausnüchterungsspaziergang durch den Wald" machte. Gebunden hat er das Werk nie, vielleicht aus nostalgischen Gründen. Deshalb wirft er die einzelnen Bilder nacheinander vor die Kamera. Sie zeigen eine junge Frau in einem roten Mantel zwischen Bäumen und Sträuchern, die zunächst kokett in die Kamera blickt. Als sie jedoch merkt, dass ihr Freund nicht aufhört, auf den Auslöser zu drücken, fällt die Pose. Ein irritierter Ausdruck huscht über ihr Gesicht und sie wendet sich ab.
Alle anderen Daumenkinos, die Gerling in Saarbrücken zeigt, sind in schwarz-weiß fotografiert, was ihnen aber nichts von ihrer Eindringlichkeit nimmt. Diese wird vielmehr noch verstärkt, weil der Betrachter sich auf das Wesentliche konzentriert: die Körpersprache der Motive, die witzig, anrührend oder aufwühlend sein kann. So etwa die des Mädchens im Zug, das verlegen schmunzelt, ehe ein strahlendes Lächeln das ganze Gesicht erhellt und die Augen zum Leuchten bringt. Doch Gerling fotografiert nicht nur Menschen. Eine ganze kalte Winternacht verbrachte er vor einem Hochhaus in Berlin, knipste alle zwanzig Minuten ein Bild und fing die rhythmischen Veränderungen des Lichts in den Fenstern und der Straßenlaternen und den Übergang zwischen Nacht und Tag ein.
Volker Gerling ist nicht einfach nur Fotograf, weil er seine Bilder im Kontext der Bewegung knipst und daraus kleine Filme erstellt. Er ist aber auch kein Regisseur, da er keine künstlichen Szenerien schafft. Im Grunde ist Gerling ein Mensch, der die zufällige Ästhetik des Moments schätzt und die ideale Art der Darstellung in der Schnittmenge von Fotografie und Film gefunden hat.
Text: Stefanie Marsch
Doch bekloppt ist Gerlings Wanderausstellung, wie er selbst seine Reise nennt, eigentlich nicht, höchstens unkonventionell und vielleicht ein bisschen exzentrisch. Bei Perspectives führt der Fotograf seine Werke im Saarlandmuseum mit Hilfe einer Kamera vor, die mit einem Beamer verbunden ist. Durch die Projektion auf eine Leinwand entsteht mit jeder Bilderfolge für wenige Sekunden Kinoatmosphäre.
Gerlings Miniatur-Filme zeigen nicht nur Menschen, sondern Persönlichkeiten, unverfälscht und ungekünstelt. Das liegt daran, dass die Fotografierten nicht wissen, dass sie mehrmals hintereinander abgelichtet werden, drei Mal in der Sekunde. Sie haben keine Möglichkeit, sich in Szene zu setzen. "Im Moment der Überraschung geben die Menschen etwas von sich preis. Das ist es, was ich einfangen möchte", sagt Gerling.
Dieser spezielle Augenblick ist auch in Gerlings erstem Daumenkino, dem Prototyp sozusagen, deutlich erkennbar. Es entstand 1998, als er mit einer Freundin "einen Ausnüchterungsspaziergang durch den Wald" machte. Gebunden hat er das Werk nie, vielleicht aus nostalgischen Gründen. Deshalb wirft er die einzelnen Bilder nacheinander vor die Kamera. Sie zeigen eine junge Frau in einem roten Mantel zwischen Bäumen und Sträuchern, die zunächst kokett in die Kamera blickt. Als sie jedoch merkt, dass ihr Freund nicht aufhört, auf den Auslöser zu drücken, fällt die Pose. Ein irritierter Ausdruck huscht über ihr Gesicht und sie wendet sich ab.
Alle anderen Daumenkinos, die Gerling in Saarbrücken zeigt, sind in schwarz-weiß fotografiert, was ihnen aber nichts von ihrer Eindringlichkeit nimmt. Diese wird vielmehr noch verstärkt, weil der Betrachter sich auf das Wesentliche konzentriert: die Körpersprache der Motive, die witzig, anrührend oder aufwühlend sein kann. So etwa die des Mädchens im Zug, das verlegen schmunzelt, ehe ein strahlendes Lächeln das ganze Gesicht erhellt und die Augen zum Leuchten bringt. Doch Gerling fotografiert nicht nur Menschen. Eine ganze kalte Winternacht verbrachte er vor einem Hochhaus in Berlin, knipste alle zwanzig Minuten ein Bild und fing die rhythmischen Veränderungen des Lichts in den Fenstern und der Straßenlaternen und den Übergang zwischen Nacht und Tag ein.
Volker Gerling ist nicht einfach nur Fotograf, weil er seine Bilder im Kontext der Bewegung knipst und daraus kleine Filme erstellt. Er ist aber auch kein Regisseur, da er keine künstlichen Szenerien schafft. Im Grunde ist Gerling ein Mensch, der die zufällige Ästhetik des Moments schätzt und die ideale Art der Darstellung in der Schnittmenge von Fotografie und Film gefunden hat.
Text: Stefanie Marsch
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