Donnerstag, 14. Juni 2007
Fehlproduktion
perspectives, 18:31h
„Das ist für die Türme. Das ist für die Zivilisation. Das ist für uns alle, du Schwein.“ Amy würde am liebsten diese Sätze schreien und dabei auf Mohammed einstechen, wenn er sich im Flugzeug zufällig neben sie setzt. Das Messer immer wieder in ihn reinrammen, bis das Blut aus der dunkelhäutigen Gestalt spritzt.
Doch das ist nicht die Geschichte, die in „Das Produkt“ von Mark Ravenhill erzählt wird und an der Schaubühne in Berlin ihre deutsche Erstaufführung hatte.
Amy trifft im Taxi wieder auf Mohammed. Auf einmal findet sie ihn dann aber doch eher exotisch-erotisch als arabisch-abstoßend, und sie hat Sex mit ihm in ihrem fantastischen Loft in einem umgebauten Schlachthaus. Und das, obwohl sie bereits richtig vermutet, dass Mohammed bei Al-Qaida ist. Amys Mann kam übrigens am elften September in einem der Türme des World Tade Centers ums Leben.
Doch auch das ist nicht die Geschichte, die der 41-jährige Brite Ravenhill, der mit „Shoppen und ficken“ bekannt wurde, erzählt. Weiterhin besteht das Stück, in der Inszenierung von Thomas Ostermeier in Saarbrücken zu sehen, nicht daraus, dass Amy sich aus Liebe zu Mohammed bei einem Besuch von keinem geringeren als Osama Bin Laden in ihrer Wohnung schließlich den Selbstmordattentätern anschließt, um Disney-Land Paris zu vernichten. Dass sie in der Nacht zuvor Mohammed doch verrät, ohne ihn aber dann wieder unglücklich wird. Dass sie ihren geliebten Fast-Attentäter nach monatelangen Trainingseinheiten bei Kung-Fu-Meistern und Kalaschnikow-Camps von seiner Hoden-Folter in Guantanamo befreit, alle Wachen – und aus Versehen Mohammed gleich mit – abknallt, um letztendlich selbst auf seinem Gebetsteppich Richtung Osten niederzusinken.
Das ist das Problem bei Ravenhill. Er erzählt nicht schonungslos diese bis zum Brechreiz übertriebene Hollywood-Geschichte, sondern er bettet sie in einen verharmlosenden Rahmen ein: Ein Filmproduzent versucht seine Top-Schauspielerin, die er eigentlich am liebsten flachlegen würde, von seinem Drehbuch zu überzeugen. Und nur in seinem Drehbuch kommen Amy, Mohammed, Osama und all die anderen vor. Jörg Hartmann gibt den ambitionierten Produzenten, der in einer grandiosen einstündigen One-Man-Show seine schweigende Hauptdarstellerin (Simone Kabst) anfleht, anfällt, anbettelt, anmacht, anspielt, anhimmelt. Nur um dieses Buch, dass ihn dazu gebracht habe, zu weinen „wie eine Frau“, mit seinem Superstar in der Hauptrolle zu verfilmen.
Das berührt aber nicht. Wenn eine abgedrehte, gescheiterte Existenz so einen Film machen will, kümmert das einen (mangels Identifikationsmöglichkeiten?) nicht. Genauso wie man die Taten fanatischer Terroristen oder geisteskranker Nazis leicht verurteilen kann, so leicht kann man auch über dieses Szenario lachen. Mark Ravenhill verharmlost, indem er die Thematik der Lächerlichkeit preisgibt. Eingehende Beschäftigung, tieferes Nachdenken über das Phänomen der Verarbeitung der Anschläge vom elften September? Dieses Stück verleitet sicher nicht dazu.
Eher wird man sich an den schillernden Auftritt Jörg Hartmanns erinnern, der sich in schwitzende Ekstase redet, in Amy und Mohammed schlüpft, sich selbst mit Filmmusik begleitet: Summende, klacksende und schnalzende Laute entweichen seiner Kehle während der „ganz großen Momente“. Dann ist seine wild gestikulierende Silhouette vor der Leuchtröhrenwand von Bühnenbildner Jan Pappelbaum zu sehen, die immer wieder auf den Latte-Macchiato-schlürfenden Star einredet: Sie könne das spielen, nur mit ihren Augen, er wisse das, mein Gott, überhaupt liebe er ihre Arbeit. Der keck zurückgelehnten Simone Kabst in hochhackigen Goldsandalen und mit blonder, nach hinten geföhnter Dauerwellenmähne bleibt da nur ein ungläubiges Dauergrinsen. Wenn sie endlich genervt abhaut, flötet der Produzent heuchlerisch in sein Handy: „Hi! Super. Sie fand’s total super“. Klar. Wir auch. Total.
Text: Matthias Weigel
Doch das ist nicht die Geschichte, die in „Das Produkt“ von Mark Ravenhill erzählt wird und an der Schaubühne in Berlin ihre deutsche Erstaufführung hatte.
Amy trifft im Taxi wieder auf Mohammed. Auf einmal findet sie ihn dann aber doch eher exotisch-erotisch als arabisch-abstoßend, und sie hat Sex mit ihm in ihrem fantastischen Loft in einem umgebauten Schlachthaus. Und das, obwohl sie bereits richtig vermutet, dass Mohammed bei Al-Qaida ist. Amys Mann kam übrigens am elften September in einem der Türme des World Tade Centers ums Leben.
Doch auch das ist nicht die Geschichte, die der 41-jährige Brite Ravenhill, der mit „Shoppen und ficken“ bekannt wurde, erzählt. Weiterhin besteht das Stück, in der Inszenierung von Thomas Ostermeier in Saarbrücken zu sehen, nicht daraus, dass Amy sich aus Liebe zu Mohammed bei einem Besuch von keinem geringeren als Osama Bin Laden in ihrer Wohnung schließlich den Selbstmordattentätern anschließt, um Disney-Land Paris zu vernichten. Dass sie in der Nacht zuvor Mohammed doch verrät, ohne ihn aber dann wieder unglücklich wird. Dass sie ihren geliebten Fast-Attentäter nach monatelangen Trainingseinheiten bei Kung-Fu-Meistern und Kalaschnikow-Camps von seiner Hoden-Folter in Guantanamo befreit, alle Wachen – und aus Versehen Mohammed gleich mit – abknallt, um letztendlich selbst auf seinem Gebetsteppich Richtung Osten niederzusinken.
Das ist das Problem bei Ravenhill. Er erzählt nicht schonungslos diese bis zum Brechreiz übertriebene Hollywood-Geschichte, sondern er bettet sie in einen verharmlosenden Rahmen ein: Ein Filmproduzent versucht seine Top-Schauspielerin, die er eigentlich am liebsten flachlegen würde, von seinem Drehbuch zu überzeugen. Und nur in seinem Drehbuch kommen Amy, Mohammed, Osama und all die anderen vor. Jörg Hartmann gibt den ambitionierten Produzenten, der in einer grandiosen einstündigen One-Man-Show seine schweigende Hauptdarstellerin (Simone Kabst) anfleht, anfällt, anbettelt, anmacht, anspielt, anhimmelt. Nur um dieses Buch, dass ihn dazu gebracht habe, zu weinen „wie eine Frau“, mit seinem Superstar in der Hauptrolle zu verfilmen.
Das berührt aber nicht. Wenn eine abgedrehte, gescheiterte Existenz so einen Film machen will, kümmert das einen (mangels Identifikationsmöglichkeiten?) nicht. Genauso wie man die Taten fanatischer Terroristen oder geisteskranker Nazis leicht verurteilen kann, so leicht kann man auch über dieses Szenario lachen. Mark Ravenhill verharmlost, indem er die Thematik der Lächerlichkeit preisgibt. Eingehende Beschäftigung, tieferes Nachdenken über das Phänomen der Verarbeitung der Anschläge vom elften September? Dieses Stück verleitet sicher nicht dazu.
Eher wird man sich an den schillernden Auftritt Jörg Hartmanns erinnern, der sich in schwitzende Ekstase redet, in Amy und Mohammed schlüpft, sich selbst mit Filmmusik begleitet: Summende, klacksende und schnalzende Laute entweichen seiner Kehle während der „ganz großen Momente“. Dann ist seine wild gestikulierende Silhouette vor der Leuchtröhrenwand von Bühnenbildner Jan Pappelbaum zu sehen, die immer wieder auf den Latte-Macchiato-schlürfenden Star einredet: Sie könne das spielen, nur mit ihren Augen, er wisse das, mein Gott, überhaupt liebe er ihre Arbeit. Der keck zurückgelehnten Simone Kabst in hochhackigen Goldsandalen und mit blonder, nach hinten geföhnter Dauerwellenmähne bleibt da nur ein ungläubiges Dauergrinsen. Wenn sie endlich genervt abhaut, flötet der Produzent heuchlerisch in sein Handy: „Hi! Super. Sie fand’s total super“. Klar. Wir auch. Total.
Text: Matthias Weigel
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