Dienstag, 12. Juni 2007
Lubie - Sinnliches Figurentheater in der Kirche
„Lubie“, das ist Leidenschaft, Emotion, Obsession. „Lubie“, das sind die Hände der Puppenspielerin Anne Bitran, die sich einander annähern, miteinander spielen. Zwei Violinen begleiten die nächtliche Aufführung in der Johanniskirche mit Duos von Bela Bartok und Luciano Berio. Von der Künstlerin sieht das Publikum nur den Rücken, das Spiel ihrer Hände wird durch einen kristallförmigen Projektor, einen so genannten Zyklopen, auf die Leinwand übertragen. Bitran ist in enges Schwarz gekleidet, ein Turban gibt ihr eine geradezu mystische Erscheinung. Anfangs ist nur schemenhaft eine Hand auf der Leinwand zu erkennen, die langsam klare Konturen annimmt. Die Hand schreibt mit Lippenstift auf einen Spiegel. Schließlich erscheint die zweite Hand auf der Leinwand und in der folgenden Stunde umgarnen und verwandeln sich diese Hände. Aus einem sich umwerbenden Paar wird eine Vereinigung und wiederum ein neues Leben, ein Raubtier stürzt sich auf seine Beute. Mit wenigen Accessoires, einer Orange, zwei Handschuhen, einem Klumpen Teig schafft Bitran unter der Regie von Bénédicte Ober eine Welt des Begehrens und der Vereinigung. Neben diesem Wechselspiel von Licht und Schatten, leichtem Umwerben und tiefer Leidenschaft treten die Violinisten Julian Boutin und Frédéric Aurier als Antagonisten auf. Mal umrahmen sie die Handlung als Scherenschnitt hinter einem angestrahlten Tuch, mal kommunizieren sie direkt vor der Leinwand mimisch mit den Projektionen. Zeitweilig ragen ihre Umrisse bis ins Gewölbe hinauf und dehnen so den Schauplatz auf die gesamte Kirche aus. Fragwürdig jedoch wird die Kombination aus sinnlichem Fingertheater und dunklem Kirchenraum durch comicartige Knetfiguren, mit denen Britan plötzlich die Leinwand bevölkert. Diese scheinen einer anderen Welt anzugehören als die Finger, die langsam eine Orange entkleiden und Bitran selbst, die sich die Hände anschließend genüsslich-lasziv in einem kristallenen Gefäß wäscht. Während die Projektionen anfangs noch faszinieren und das Spiel um Werben und Unterwerfen ein klares Motiv bildet, verlieren sich die Szenen zwischenzeitlich in wenig zusammenhängendem Knetspiel, begleitet von leidenschaftlichen Violinklängen, die in ihrer Dramatik nicht immer zum Leinwandgeschehen passen. Im Gedächtnis bleiben jedoch schöne Bilder und originelle Einfälle, die, sensibler aufeinander abgestimmt, durchgängig eine Atmosphäre von Verlangen schaffen könnten.

Text: Tabea Mager

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