Dienstag, 12. Juni 2007
Questions de Directions: Aufbruch ins Ungefähre
Eine atemberaubende Atmosphäre herrscht in dem grell orangen Zirkuszelt vor dem Saarbrücker Staatstheater – was zunächst nicht allein den Artisten der Show „Question de Directions“ zu schulden ist. Die drückende Hitze unter dem hohen Dach lässt dem Publikum die Luft wegbleiben. Dem kollektiven Wedeln mit Programmheften folgt dann aber kollektives Staunen. Denn was die französische Gruppe Collectif AOC auf der Bühne zeigt, macht für anderthalb Stunden die Hitze vergessen. Die neun Artisten bieten ein Programm ohne Zäsur, ohne Innehalten: eine soghafte Mischung aus Tanz-Performance, Slapstick und Akrobatik.
Das Gute kommt diesmal nicht von oben, sondern von unten. Die ungewöhnliche Art des Auftritts und Abgangs durch Klappen im Boden der Bühnenplattform markiert ein zentrales Element, das immer wieder in Szene gesetzt wird. Die Darsteller schießen aus den Löchern oder lassen sich kopfüber hineinfallen, strecken spielerisch nur die Beine heraus und linsen frech über den Rand der Öffnungen.
Auf der Bühne spielen die Mitglieder des Collectif AOC aus, was sie am Centre National des Arts du Cirque gelernt haben – und das teilweise gleichzeitig. Eine Artistin hangelt sich wie Spider Man an einer fünf Meter hohen Stange auf und ab. Eine Seiltänzerin vollführt Sprünge und Drehungen auf dünnem Draht. Mit erstaunten Ausrufen und begeistertem Applaus quittiert das Publikum die Höhepunkte der Show: eine Paar-Einlage am Trapez und das große Finale am Trampolin. Atempausen sind im Programm nicht vorgesehen. Zusammengehalten und vorangetrieben wird die permanente Aktivität durch komödiantische Einlagen und Tanz.
„Question de Directions“ ist der Versuch, das traditionelle Bild vom Zirkus aufzubrechen: kein Direktor mit Zylinder, kein wagemutiger Löwen-Dompteur und kein Clown mit roter Pappnase. Der Wille, etwas Neues und Individuelles zu kreieren, ist lobenswert und wird in Ansätzen auch umgesetzt, er geht jedoch an manchen Stellen zu weit. Das Abweichen vom hierarchischen Nummern-Programm hin zur Gleichzeitigkeit verschiedener artistischer Darbietungen wirkt zunächst erfrischend anders. Zuviel (geplante) Anarchie auf der Bühne löst jedoch Verwirrung aus, sodass man bisweilen nicht so recht weiß, wo man hinsehen soll. Selbst der aufmerksamste Beobachter dürfte daran scheitern, alles aufzuzählen, was er gesehen hat. Trotzdem ist „Question de Directions“ ein Erfolg. Aus einem einfachen Grund: Die Show bietet Spaß und Kurzweil. Und letztendlich sind es gerade die traditionellen Zirkus-Elemente, die Begeisterung im Publikum auslösen.

Text: Stefanie Marsch

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